KINDER MIT ADHS IN DER SCHULE unterstützen:
PRAKTISCHE TIPPS FÜR ELTERN UND LEHRER*INNEN
In der Schule, aber auch im Alltag, begegnen wir oft Kindern, die sich schwer damit tun, ihre Aufmerksamkeit zu steuern. Als jemand, der selbst mit ADHS aufgewachsen ist, kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass es manchmal schwierig sein kann, in einer Welt, die nach bestimmten Regeln funktioniert, seinen Platz zu finden.
Ich erinnere mich noch an die Sätze, die ich als Kind immer wieder gehört habe: „Konzentriere dich doch mal mehr!“ oder „Du trödelst schon wieder so…“ – diese Kommentare waren allgegenwärtig.
Natürlich steckte hinter ihnen meistens der gute Wille, mich anzuspornen und zu unterstützen.
Aber hier befinden wir uns auf dünnem Eis: Bei Kindern mit ADHS ist dieses gut gemeinte Anfeuern oft nicht effektiv. Im Gegenteil, es kann sogar kontraproduktiv sein.
Solche Sätze können emotional schmerzhaft oder beschämend wirken, sodass das Kind noch langsamer wird oder möglicherweise komplett die Arbeit verweigert.
Tipps für den Umgang mit Kindern mit ADHS in der Schule
Ein Kind mit ADHS kann seine Aufmerksamkeit nicht so steuern wie andere Kinder.
Das Kind macht also nichts falsch, wenn es den Anforderungen nicht gerecht wird. Wir müssen verstehen, dass das Verhalten, das wir beobachten, Symptome von ADHS sind.
Wenn wir also versuchen, das Kind dazu zu bringen, sich mehr zu konzentrieren, verlangen wir etwas von ihm, das es möglicherweise gar nicht leisten kann.
Sätze wie die oben genannten geben dem Kind oft das Gefühl, etwas falsch zu machen, ohne das es weiß was es anders machen soll.
Unsere Rolle als Helfer*innen von Kindern mit ADHS besteht darin, die Aufmerksamkeit des Kindes behutsam zur Arbeit zurückzulenken.
Oft reicht es schon aus, mit dem Finger auf die Stelle im Arbeitsheft zu zeigen, an der wir gerade sitzen. Probiere auch mal Ermutigungen wie:
„Schau mal, in dieser Zeile musst du nur noch ein Wort schreiben, dann hast du sie schon geschafft!”
„Du hast mir gerade die richtige Antwort schon genannt. Jetzt brauchst du sie nur noch hier aufschreiben”
Welche Strategien helfen, wenn Kinder viel stören und andere ablenken?
In der Schule streben wir nach Kindern, die an ihrem Platz sitzen bleiben, phasenweise ruhig sind und zuhören können. Alle Kinder müssen lernen, mit dem Reden zu warten, sich Arbeitsaufträge zu merken und ihre Aufmerksamkeit auf den Unterricht zu lenken.
Forschungen haben gezeigt, dass bei ADHS bestimmte hirnorganische Unterschiede vorliegen, insbesondere im präfrontalen Kortex, der für die Regulation von Aufmerksamkeit, Impulskontrolle und Verhaltensinhibition verantwortlich ist.
Dies bedeutet, dass Kinder mit ADHS Schwierigkeiten mit der Impulskontrolle haben können, was sich beispielsweise in spontanem Reden oder schneller emotionaler Reaktion zeigt.
ADHS-Kinder benötigen Zeit, um sozial-emotionale Fertigkeiten zu entwickeln, und sie benötigen auch andere Bedingungen als ihre Mitschüler*innen, um den Schulalltag erfolgreich zu bewältigen.
Es ist wichtig, dies zu berücksichtigen und einfühlsam mit ihren Bedürfnissen umzugehen.
Empathie ist entscheidend: Praktische Tipps für den Umgang mit Impulsivität und Ablenkbarkeit
- Sei präzise und kurz in deinen Anweisungen: Kinder mit ADHS können sich oft Anweisungen nur dann merken, wenn diese klar und knapp formuliert sind. Dies hat mit dem Arbeitsgedächtnis zu tun, das Informationen kurzzeitig speichert und gleichzeitig verarbeitet, was für das Lernen und die Ausführung von Aufgaben entscheidend ist. Kinder mit ADHS können Schwierigkeiten haben, Informationen zu behalten und zu organisieren, was sich auf ihre schulischen Leistungen und ihr Verhalten auswirken kann.
- Handele möglichst non-reaktiv: Bevor du auf ein Verhalten reagierst, atme bewusst und langsam aus. Dies hilft, Ruhe zu bewahren und angemessen zu reagieren. Langsames Ausatmen dient der Regulation des Nervensystems, indem es den Parasympathikus aktiviert, der für Entspannung und Erholung verantwortlich ist. Diese einfache Atemtechnik kann Stress reduzieren und ein Gefühl der Ruhe und Ausgeglichenheit fördern.
- Halte positive Interaktionen im Vordergrund: Versuche, positive Interaktionen mit dem Kind zu verstärken. Lob und Ermutigung können eine große Wirkung haben. Ansonsten könnte sich ein unbewusstes Muster aus Gereiztheit und Frustration auf beiden Seiten festigen.
- Selektiere, worauf du reagierst: Lasse manche Äußerungen des Kindes unbeachtet. Ich empfehle auch das freche Verhalten des Kindes nicht als persönlichen Angriff zu bewerten, denn das Kind äußert seine Gedanken ungefiltert. Bei ADHS ist die Fähigkeit zur Impulskontrolle oft beeinträchtigt, was dazu führen kann, dass Kinder Schwierigkeiten haben, die Konsequenzen ihres Handelns abzuwägen. Stelle dir selbst die Frage: „Wie oft urteile ich vorschnell oder denke etwas Unfreundliches, das ich nicht ausspreche?“ Hier greift der präfrontale Kortex als zuverlässige Bremse ein, was zeigt, wie wichtig die Impulskontrolle für unser Verhalten und unsere zwischenmenschlichen Beziehungen ist.
- Sei klar und vorhersehbar in deinen Strukturen: Kinder mit ADHS profitieren von klaren Strukturen und vorhersehbaren Abläufen. Dies gibt ihnen Sicherheit und Orientierung.
- Sei gut zu dir selbst und suche Unterstützung, wenn nötig: Der Umgang mit Kindern mit ADHS kann herausfordernd sein. Es ist wichtig, auf sich selbst zu achten und Unterstützung zu suchen, wenn man sie braucht.
Denke daran, dass jedes Kind einzigartig ist und individuelle Bedürfnisse hat. Was für das eine Kind funktioniert, mag für ein anderes möglicherweise nicht geeignet sein. Ich hoffe, dass meine Arbeit dich dabei unterstützt eine geduldigere und einfühlsame Haltung im Umgang mit Kindern mit ADHS zu entwickeln. Gemeinsam können wir eine Umgebung schaffen, in der alle erfolgreich und mit Freude den (Schul-)Alltag bewältigen.
Quellen zum Arbeitsgedächtnis und weiterführende Links:
https://www.adxs.org/de/page/150/organisations-und-exekutivfunktionsprobleme-bei-adhs-neurophysiologische-korrelate
https://www.additudemag.com/adhd-inattentive-type-5-signs/